Eine Legende der Dakota
Vor langer, langer Zeit, als die Welt noch ganz neu war, wanderte Wakan Tanka – das große Geheimnis – auf der Erde umher. Er schaute sich an, was er alles unternommen hatte, um den vierbeinigen Kreaturen und den Vögeln beim Überleben zu helfen.
Es ist gut, sagte Wakan Tanka zu sich selbst. Ich habe dem Berglöwen scharfe Krallen gegeben und dem Grizzly Bären große Stärke. Es ist für sie jetzt viel einfacher zu überleben. Ich habe dem Wolf scharfe Zähne gegeben und seinem kleinen Bruder Kojote einen schnellen Verstand. Es ist für sie jetzt viel einfacher zu überleben. Ich habe dem Biber einen flachen Schwanz gegeben, Zähne, die Bäume fällen können und Schwimmfüße, mit denen er unter Wasser viel schneller ist.
Dem langsamen Stachelschwein habe ich lange Borsten gegeben, damit es sich schützen kann. Jetzt ist es einfacher für sie zu überleben. Ich habe den Vögeln Federn gegeben und die Fähigkeit zu fliegen, damit sie ihren Feinden entfliehen können. Ich habe den Rehen und den Hasen Schnelligkeit gegeben, damit es schwer für ihre Feinde wird, sie zu fangen. Wirklich – es ist jetzt viel einfacher für sie zu überleben.
Aber noch während Wakan Tanka sprach, kam eine Rehmutter zu ihm gelaufen. Hinter ihr stand ihr junges Kitz, schwankend auf seinen schwachen neuen Beinen. Oh großer Schöpfer, sagte sie. Es ist wahr, dass du den Vierbeinigen und den Geflügelten viele Geschenke gemacht hast, um ihnen beim Überleben zu helfen. Es ist wahr, dass du mir große Schnelligkeit gegeben hast, und jetzt fällt es meinen Feinden sehr schwer, mich zu fangen. Meine Schnelligkeit ist wirklich ein guter Schutz. Aber was ist mit meiner Kleinen hier? Sie kann noch nicht schnell laufen. Es ist leicht für unsere Feinde mit ihren scharfen Zähnen und ihren Krallen sie zu fangen. Aber wenn meine Kinder nicht überleben, wie kann es dann mein Volk? Wica yaka pelo sagte Wakan Tanka. Du hast die Wahrheit gesprochen! Schick deine Kleine zu mir und ich werde ihr helfen.
Wakan Tanka nahm Erde und Pflanzen und machte daraus eine Farbe. Er malte Flecken auf den Rücken des Rehkitz und wenn es still lag, passte es sich den Farben der Erde an und konnte nicht mehr gesehen werden. Dann blies Wakan Tanka seinen Atem über die Kleine und nahm ihr damit den Geruch. Nun sagte Wakan Tanka, wenn sich deine Kinder ruhig verhalten, werden sie damit für immer sicher sein. Keiner deiner Feinde wird in der Lage sein, deine Kleinen zu sehen oder sie zu riechen. Und so ist es von diesem Tage an immer gewesen.
So lange ein junges Reh zu klein und zu schwach ist, um schnell davonzulaufen, ist es überall mit Flecken bedeckt, die sich der Farbe der Erde anpassen. Es hat keinen Geruch und liegt ganz ruhig und eng an den Boden gepresst, wenn seine Mutter nicht an seiner Seite ist. Und sobald es groß genug ist, um die Schnelligkeit zu haben, die Wakan Tanka seinem Volk gab, dann verliert es die Flecken, die es einst brauchte, um zu überleben.
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