Mit Seiðr wird in der vorchristlichen Religion Skandinaviens eine besondere Form von allgemeiner Zauberei bezeichnet. In der wissenschaftlichen Literatur gibt es keinen Konsens darüber, was Seiðr genau beinhaltet. Die Etymologie des Begriffs ist unklar, in der Forschung werden mehrere Lösungen diskutiert. Neben anderen wird das Wort zur Wurzel „sei-“ = singen, finnisch „Soda“ – klingen und „soittaa“. = auf einem Instrument spielen gestellt. Eine andere Herleitung weist auf die Homologie zu „seiðr“ = Band hin, so dass seiðr ursprünglich ein magisches Band gewesen sei.
Weiterhin gehört beim Seiðr zur Ausrüstung ein Stab (Seiðstafr). Er wird sowohl in der Eiríks saga als auch in der Laxdæla genannt und beschrieben.
Er ist auch bei den Schamanen ein besonderes Requisit und wird dem Schamanen im Grab beigelegt.
Die ältesten Belege finden sich in der Sigurðardrápa, einem alten Skaldengedicht aus der Zeit um 960, und der Edda (Völuspá und Hyndlulióð). In der Sigurðardrápa heißt es in der dritten Strophe am Ende: „seið Yggr til Rindar“. (Yggr (ein Name Odins) bekam Rindr (eine Frau) durch Seiðr, verführte sie also durch Zauber).
In Strophe 22 der Völuspá heißt es:
Heiði hana hétu hvars til húsa kom, völu velspáa, vitti hon ganda; seið hon, hvars hon kunni, seið hon hug leikinn, æ var hon angan illrar brúðar. |
Man nannte sie Heiðr. Wo sie ins Haus kam. die weissagende Völva, verwendete sie Zauberstäbe. Sie trieb Seiðr, was sie konnte, Sie wandte die Sinne der Menschen zum Seiðr Immer war sie angenehm bösartigen Frauen. |
In Strophe 33 der Hyndlulióð heißt es:
Ero vǫlor allar, frá Viðólfi vitkar allir frá Vilmeiði, [en] seiðberendr fra Svarthǫfða iǫtnar alli fra Ymir komnir. |
Alle Seherinnen stammen von Viðólfr ab, alle Hexer von Vilmeiðr [und] die Zauberkundigen von Svarthöfði, alle Riesen [sind] von Ymir gekommen. |
Als ältestes Vorkommen des Wortes Seiðr könnte der Runenstein in der Kirche von Sønder Vinge in Dänemark sein. Doch die Entzifferung ist wegen der vielen Lakunen (Lücken) nicht eindeutig.
Ein wichtiges und fast durchgängig erwähntes Requisit beim Seiðr ist der erhöhte Sitz oder Stand. Im Hause sitzt die Völva auf einem Stuhl, der höher gedacht wird, als der Hochsitz des Hausherrn. Im Freien werden große Zaubergerüste errichtet, auf denen mehrere Zauberer Platz haben. Dahinter steht wohl die Vorstellung, dass Seiðr und auch die Weissagung deutlich getrennt von der profananen Welt zu vollziehen sind.
Ein weiteres fast durchgängig geschildertes Merkmal ist, dass der Seiðr zu mehreren ausgeführt wird. Dass der Seiðr von einer Einzelperson ohne Hilfe ausgeführt wird, ist nur an wenigen Stellen überliefert. Aufgabe dieser Helfer ist das Anstimmen des Zaubergesanges im Chor, was den für den Seiðr erforderlichen Trancezustand hervorrufen sollte. Nach der Laxdælasaga war der Gesang wohltönend, nach Göngu-Hrólfs saga war er misstönend.
Hier gibt es deutliche Parallelen zu den Praktiken der Noajdi bei den Samen, sich mit einem besonderen Gesang in Trance zu versetzen. In der Eiríks saga rauða verlangt die Völva, dass ein Gesang „Varðlokkur“ angestimmt werde. „Varðlokkur“ wird als Lockgesang für die Geister aufgefasst, während „Varðlokur“ als „schützende Schlösser“ zu übersetzen wäre, also ein Gesang zum Schutze der Seherin wäre.
Nach Magnus Olsen handelt es sich um einen Gesang eines im Kreis um die Völva aufgestellten Chores, der die Geister festhalten und zwingen soll, der Seherin die gewünschten Auskünfte über die Zukunft zu geben. Dag Strömbäck bezieht aus den Parallelen mit den samischen Praktiken die Auslegung, dass die Person, die den Seiðr ausübt, durch den Chorgesang in Trance gebracht werde.
Das Ende von Seidr
Der Begriff „Seiðr“ als gegenwärtiges Verfahren ist 1281 nachzuweisen. Eine Verordnung des Königs Erik II. Magnusson und des Bischofs Árni Þorláksson behandelt die Bestrafung des Seiðr. „Man soll sie auf die See bringen und sie versenken.“ Die gleiche Regelung gab es bereits im älteren Christenrecht des Gulathingslov aus dem 12. Jahrhundert in der Gestalt der Reformen durch Øystein Erlendsson und Erling Skakke. Ein Bußkatalog des Bischofs Jón Halldórssons von 1326 zählt in einer Handschrift den Seiðr als bußwürdigen Tatbestand auf.
Die Zauberei mit Amuletten und besonderen Zeichen blieb erhalten und erlebte im 17. Jahrhundert einen Höhepunkt. Das bezeugen die Hexenprozesse bis 1720.
Ein neues Seiðr
Eine gute Möglichkeit Seiðr neu zu entdecken ist es, einen eigenen – kraftvollen Schamanenweg zu gehen. In Verbindung mit unseren Geistern und den uralten mystischen Erfahrungen unserer Ahnen können wir einen neuen Weg des Seiðr finden. Mit Achtung und Respekt dem gegenüber, was vor uns war.
Einmal jährlich gibt es die Möglichkeit an einer Seiðrzeremonie teilzunehmen, Link zum Lehrgang.