Ganz früh am Morgen führt mich mein Weg am Nordostseekanal entlang, wenn ich mit meinem Hund spazieren gehe. Direkt auf der gegenüberliegenden Kanalseite geht die Sonne auf. Ich schätze das Erwachen der Natur, die Stille, die mitunter unterbrochen wird durch Schiffe, die mit ihrer Fracht den Kanal nutzen. Ein kleiner Waldstreifen säumt den Kanal, er dient den Schiffen als Windschutz.
Zur Zeit blühen unzählige Schlehen reinweiß, soweit das Auge reicht. Ein sanfter und betörender Duft nach Mandeln liegt hier in der Luft. In unserem Kulturkreis assozieren wir Weiß mit dem Gefühl von Freude (Bräute, Täuflinge). Mit Weiß verbinden wir Unschuld, Reinheit und Jungfräulichkeit. Weiß steht auch für Frieden, Stille, Leere, Wertfreiheit. Auch ist Weiß ein Symbol für Unsterblichkeit und Unendlichkeit. Anders als im westlichen Kulturkreis tragen Buddisten weiß als Zeichen der Trauer.

In alten Zeiten ließ sich mit der Schlehe das Wetter voraussagen. Traten die Schlehen gehäuft auf, bedeutete dies einen besonders strengen Winter. Um einen genauen Getreideerntetermin wurden die Tage, die zwischen dem Erblühen der Schlehe und dem 23. April (Georgi Tag) lagen, gezählt. Höfe und Weiden für Tiere wurden oft mit Schlehen umpflanzt, da dem dornenreichen Gehölz eine Schutzwirkung gegen „Hexen und Unholde“ zugeschrieben wurde. Es gibt viele Legenden, die von der auffälligen, früh blühenden weißen Blüte der Schlehe handeln.
Mich erinnert die Schlehe in der europaweiten, von Ansteckungsgefahr und Krankheit geprägten Situation daran, Mut zu behalten und Veränderungen zu akzeptieren. Ganz bewusst gehe ich jeden Morgen zu den Schlehen und nehme eine Nase voll Hoffnung.